Zwei entgegengesetzte Bewegungen: den Körper zergliedern oder ihn bewohnen

Zwei entgegengesetzte Bewegungen: den Körper zergliedern oder ihn bewohnen

Zwischen Luschka und Artaud: zwei Sichtweisen des Körpers, zwei Zukünfte der Medizin

1. Eine vergessene Weggabelung

Die Geschichte der modernen Medizin ist die einer doppelten Bewegung. Auf der einen Seite eine zunehmende Fragmentierung des Körpers, eingeleitet durch die Anatomie, fortgesetzt durch die Biologie, radikalisiert durch die Genomik und die Netzwerkmedizin. Auf der anderen Seite das stille, aber beharrliche Streben nach einer verlorenen Einheit: die eines gelebten, bewohnten Körpers, gegenwärtig in sich selbst, jenseits der Organe.

Diesen Kreuzungspunkt hat die Medizin nie wirklich anerkannt. Doch heute lässt er sich nicht länger ignorieren.

2. Hubert von Luschka: das Sichtbare ordnen, um zu heilen

Mein Ururgroßvater, Hubert von Luschka, verkörpert einen der Gründungsmomente dieser analytischen Bewegung. Als angesehener Anatom des 19. Jahrhunderts und Professor in Tübingen wurde er für sein wissenschaftliches Werk geadelt. Er hat die Anatomie nicht erfunden, aber sie handhabbar gemacht. Er hat der Medizin ermöglicht, mit Präzision zu sehen.

Seine Arbeiten gaben dem Körper eine gemeinsame Landkarte: Nerven, Arterien, Scheidewände, Hohlräume, Kanäle. Er „füllte den Körper mit Organen“ im wahrsten Sinne des Wortes. Damit ermöglichte er eine chirurgische, beschreibende und reproduzierbare Medizin. Er schuf eine gemeinsame Sprache für das Heilen. Auf dieses Erbe bin ich stolz.

3. Vom Organ zum Netzwerk: eine endlose Fragmentierung

Doch diese ursprüngliche Geste hat sich zu einer Bewegung entwickelt, die ihren Ursprung vergessen hat. Was Luschka als Vision eröffnete, hat die moderne Medizin in ein unendliches Programm der Aufspaltung verwandelt.

Heute folgen aufeinander: molekulare Medizin, Genomik, Proteomik, Netzwerkmedizin.

Jedes Organ wird zu einem Knotenpunkt, jede Zelle zu einer Schnittstelle, jedes Gen zu einem möglichen Hebel. Der Körper wird modelliert, zergliedert, als algorithmisches System behandelt. Doch in diesem Geflecht geht die Erfahrung des Lebendigen verloren.

Was sich nicht quantifizieren lässt, wird oft disqualifiziert. Was ohne biologische Spur empfunden wird, gilt als suspekt. Das Symptom verliert seinen Status als Botschaft und wird zum bloßen Hintergrundrauschen.

4. Die Gegenbewegung: CsO, Symptome, Augenblick

Gegen diese zentrifugale Logik formt sich eine andere Bewegung. Leiser. Zerbrechlicher. Aber ebenso radikal. Es ist die, die ich in meiner Praxis vertrete.

Sie beginnt vielleicht mit Artaud, der in einem visionären Aufschrei die Idee des „Körpers ohne Organe“ (CsO) formuliert: „Wenn ihr ihm einen Körper ohne Organe gemacht habt, habt ihr ihn von allen Automatismen befreit.“

Diese Idee wird bei Deleuze und Guattari weitergeführt, wo der CsO zu einem Raum von Intensitäten, Flüssen und Transformationen außerhalb organischer Codes wird. Sie verkörpert sich auch in Medizinformen des Augenblicks, der Präsenz, des Zuhörens: Homöopathie, Osteopathie, Magnetismus, Aufmerksamkeitskunst.

Ich lehne die Organe nicht ab. Ich leugne die Anatomie nicht. Aber ich kehre die Hierarchie um: Das Symptom wird zur Eingangstür, das Erlebte zum Ausgangspunkt, die Gegenwart zum Ort der Heilung.

5. Auf dem Weg zu einer Medizin des Lebendigen

Was ich vorschlage, ist keine alternative Medizin. Es ist eine Medizin der umgekehrten Integration:

  • Das Wissen der Vergangenheit (Anatomie, Biologie, klinische Medizin) wird nicht abgelehnt,
  • Aber seine Prioritätenordnung wird umgekehrt.
  • Empfindung, Symptom, gelebtes Zeichen nehmen den ersten Platz ein.
  • Wissen wird zum Werkzeug, nicht zum Filter.
  • Der gegenwärtige Moment wird zum therapeutischen Kompass, nicht zur Zwischenstation.

6. Zwischen Luschka und Artaud

Ich stelle meinen Ahnen und meine Inspirationen nicht gegeneinander. Im Gegenteil: Ich halte sie zusammen.

  • Hubert von Luschka gab der Medizin einen lesbaren Körper.
  • Artaud prangerte auf seine wilde Art den existenziellen Preis an.
  • Ich stehe zwischen beiden: an der Kreuzung einer Welt, die zergliedert, und einer Welt, die fühlt. Einer Welt, die benennt, und einer Welt, die bezeugt.

7. Schlussfolgerung: eine posthistorische Medizin

Was ich posthistorische Medizin nenne, ist eine Medizin, die sich nicht auf die Vergangenheit gründet. Nicht auf das Gedächtnis, nicht auf die Organe, nicht auf die Modelle.

Es ist eine Medizin, die auf dem unmittelbaren Jetzt basiert, auf dem direkten Zeugnis des Lebendigen, auf dem, was hier und jetzt vibriert.

Eine Rückkehr – nicht zur Vergangenheit –, sondern zur Präsenz. Eine Fürsorge – nicht gegen die Krankheit –, sondern offen für das, was geboren werden will.

Vielleicht ist das die Zukunft des Heilens. Eine Rückkehr ohne Rückkehr, ein Übergang jenseits der Form, im rohen Licht dessen, was ist.